Kurt Bock
aus
Dr. Kurt Bock ist seit Mai 2011 Vorsitzender des Vorstands beim Chemieriesen BASF. Damit steht er zwangsläufig auch im Licht der Medien und einer interessierten Öffentlichkeit. Eine Rolle, die ihm nur bedingt zusagt und aus der er sein Privatleben nach Möglichkeit vollständig heraushält. Zwar ist er als Chef einer der größten deutschen Firmen durchaus Durchsetzungsfähig. Trotzdem ist er eher ein zurückhaltender Typ, der manchmal leicht spröde wirkt. Ein eher negatives Attribut, dass ihm aber durchaus auch zum Vorteil gereicht. Denn immer wieder wird er deshalb auch unterschätzt. Er ist eben nicht der schillernde Verkäufertyp, sondern der ruhig auftretende, sachliche Mensch.
Auf Grund dieser Eigenschaften räumen ihm die meisten Beobachter auch kaum Chancen auf den Chefsessel ein, als klar ist, dass Jürgen Hambrecht sich nach dem Ende seines Vertrages 2011 in den Ruhestand zurückziehen wird. Favorit ist Dr. Martin Brudermüller, überspitzt gesagt ein Gegenentwurf zu Bock. Er besitzt ein extrovertiertes Wesen und ein selbstbewusstes Auftreten. Außerdem ist er diplomierter Chemiker und für das erfolgreiche Asien-Geschäft des Konzerns verantwortlich. Bei den Mitarbeitern scheint er beliebt zu sein. Aber die treffen nicht die Entscheidung. Die graue Eminenz des Unternehmens ist Aufsichtsratsvorsitzender Eggert Voscherau, Bruder des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Henning Voscherau. Und der stört sich an Managern, die aus seiner Sicht allzu selbstbewusst wirken und sich selbst in den Vordergrund schieben. Er will BASF an erster Stelle sehen. Insofern ist Bock eine gute Wahl. Sein Umfeld charakterisiert ihn als ruhig, zurückhaltend und analytisch. Einer, der sicherlich nicht zur Selbstdarstellung neigt. Der zugleich aber zielstrebig seine Anliegen verfolgt und dafür auch die entsprechenden Mehrheiten für sich organisiert. Der weiß, dass er in einem harten Wettbewerb steht, in dem ihm nicht allzu viele ungünstige Entscheidungen, geschweige denn offenkundige Fehleinschätzungen unterlaufen dürfen. Dabei ist Bock nicht mal Chemiker. Erst der zweite, der in der langen Geschichte der BASF, der früheren Badischen Anilin- & Soda-Fabrik, zu höchsten Weihen aufsteigt.
Mit der Aufnahme eines Studiums der Betriebswirtschaftslehre war eine Karriere in der Chemiebranche nicht eben vorgezeichnet. Geboren 1958 im ostwestfälischen Rhaden, geht er dafür nach Münster und Köln sowie in die USA an die Pennsylvania State University. Bevor er dann 1985 in Bonn zum Dr. rer. pol. promoviert. Noch im selben Jahr nimmt er seinen ersten Job an. In der Abteilung Finanzen bei BASF. Dort macht er zwar rasch Karriere. Schon 1991 wird er Director Technologie, Planung und Controlling für Technische Kunststoffe. Aber ihn lockt ein anderer großer Konzern aus Süddeutschland. 1992 wechselt er zu Bosch, wo er zunächst den Bereich Finanzen und Bilanzen leitet ehe er Geschäftsführer der brasilianischen Tochtergesellschaft wird. Nach sechs Jahren kehrt er jedoch zu BASF zurück und kümmert sich um die Finanzen der US-Landesgesellschaft in New Jersey. 2003 wird er Mitglied des Vorstands und Finanzvorstand des größten Chemiekonzerns der Welt. Als ob ihn diese Rolle nicht genug ausfüllen würde, übernimmt er darüber hinaus auch noch das Amerika-Geschäft. Eine Doppelfunktion, die nicht nur Zeit und Kraft kostet, sondern auch eine gute Planung verlangt. Denn nun pendelt er regelmäßig zwischen New Jersey und Ludwigshafen. Dafür unterhält er eine Wohnung in Manhattan. Auch anstrengend für seine Familie, die inzwischen neben seiner Frau aus zwei Töchtern und einem Sohn besteht. Mit dem neuen Job an der Konzernspitze hat die Vielfliegerei zwischen Deutschland und Amerika erst einmal ein Ende.
Bock hat zwar nicht sein ganzes berufliches Leben bei BASF verbracht - im Gegensatz zur Mehrheit der Topmanager des Ludwigshafener Konzerns - aber trotzdem ein großes Verständnis für das, was BASF ausmacht. Er hat den herrschenden Geist verinnerlicht, weshalb im sein Intermezzo mit Bosch auch verziehen wird. Genau in diesem Sinne äußerte er auch zu seinem Amtsantritt am 6. Mai 2011, dass er die Veränderung an der Konzernspitze lediglich als Stabwechsel betrachte. Und entsprechend agiert er auch. Er verfolgt weiterhin die langfristigen Strategien. Die zielen zum einen auf einen Ausbau des asiatischen Marktes, wo der Umsatz von 11,6 Milliarden Euro im Jahr 2010 bis 2020 auf 20 Milliarden Euro gesteigert werden soll. Auch die Produktion vor Ort soll ausgebaut werden. Zum anderen soll die Abhängigkeit von Massenprodukten zu Gunsten der margenstärkeren Spezialchemikalien verringert werden. Zum Beispiel hin zu den Sparten Biotech, Gesundheit und Lebensmittel, die zudem relativ wenig von Konjunkturschwankungen betroffen sind. Damit bewegt sich der als Finanzfachmann unumstrittene Bock, der sich seine Meriten als Konzernchef erst verdienen muss, auf relativ sicherem Terrain. Auch den Gewerkschaften gibt er erst einmal wenig Grund für einen Angriff, da er sich klar zu den deutschen Standorten bekannt hat.
Ihm ist wohl bewusst, dass seine Stimme viel Gewicht hat. Und das gilt nicht nur innerbetrieblich, sondern auch nach außen. Hier schlug er allerdings zwischenzeitlich einen anderen Kurs ein, bei dem er aber immer die Konzerninteressen vorrangig im Blick hatte. Denn der so ruhige, durch seine Größe und sein gleichzeitig dünnes Äußeres oft schlaksig wirkende Westfale agiert auch hier sehr zielgerichtet. Mit seiner bestens funktionierenden Vernetzung zu den Finanzmärkten ist er alles andere als ein Leichtgewicht. Dessen Wort auch von hoher politischer Stelle geschätzt wird. Angela Merkel macht ihn zu einem ihrer wichtigsten Berater. Allerdings überwirft sie sich 2008 mit ihm wegen der ungeklärten Tibet-Frage. Bock bezieht ganz klar Stellung für die sozialistische Regierung in Peking, die für BASF ein wichtiger Partner ist, und bringt die Kanzlerin damit gegen sich auf. Sein Ratschlag ist daraufhin in Berlin nicht mehr so gefragt. Der kurz darauf angesetzte Konjunkturgipfel findet ohne ihn statt. Als Chef eines der größten deutschen Unternehmen ist das abgekühlte Verhältnis aber fast zwangsläufig wieder etwas intensiver geworden. Zumal Bock nicht laut und polternd auftritt, sondern eher leise Töne anschlägt, die ein aufeinander Zugehen sicherlich erleichtern.